Ein Mann gegen die Welt - Kritik zu Noah

SPOILER

Zehn Generationen sind vergangen, seit Kain Abel erschlug und sein Bruder Seth gen Osten floh. Zehn Generationen, die die Menschheit genutzt hat, um die gesamte Schöpfung zu ruinieren.

Das ist die Ausgangssituation von Aronofskys apokalyptischen Epos Noah. Kains Nachfahren haben gewaltige Städte erschaffen und die Umwelt so weit zerstört, dass Noahs Söhne nicht einmal wissen, was ein Baum ist. Die Welt ist eine öde Wüste, die Rohstoffe sind verbraucht, die Tiere bis zum Aussterben gejagt. Man braucht keine großen intellektuellen Fähigkeiten, um die Parallelen zur Gegenwart zu erkennen, die Aronofsky hier zieht.

Noah, einer der letzten Nachfahren von Seth, lebt mit seiner Familie abseits der Städte. Er tötet keine Tiere und führt ein einfaches Leben. Letzteres ändert sich, als der Schöpfer (der Film spricht nie von Gott, also mache ich das hier auch nicht) ihm in Visionen das Ende der Welt zeigt. Eine riesige Flut wird kommen und all das Böse auslöschen, damit die Schöpfung neu anfangen kann. Um die Unschuldigen zu retten, soll Noah eine Arche bauen. Unschuldig sind aber nur die Tiere, nicht die Menschen und das bedeutet, dass Noah, um den Willen des Schöpfers zu erfüllen, sich selbst und seine eigene Familie opfern muss - plus all die anderen Leute, die ganz gern einen Platz in der Arche hätten.

Aronofsky schildert den Mythos der Sintflut als Konflikt eines Mannes mit sich selbst, seinem Schöpfer und der Welt. Russell Crowe ist großartig als der innerlich zerrissene Noah. Sein Schöpfer hat ihm zwar den größten Spoiler in der Geschichte der Menschheit verraten, trotzdem erfüllt er dessen Willen stur und bis zur Selbstaufgabe. Aronofsky unterlegt diesen inneren Konflikt mit phantastischen Bildern des äußeren Konflikts. Er erschafft eine öde, tote Welt voller knochenbedeckter Ebenen und endloser Steinwüsten. Die Menschen, die versuchen, dort zu überleben, sind grausam und desillusioniert. Sie wissen, dass ihr Schöpfer sie verlassen hat, aber sie verstehen nicht, warum.

Noah ist ein Film, der es wagt, große Fragen zu stellen und der Menschheit schonungslos den Spiegel vors Gesicht zu halten. Wenn er dabei nur nicht so sterbenslangweilig wäre.

Über weite Strecken, vor allem in der zweiten Hälfte, liegt die Last seiner eigenen Bedeutsamkeit so schwer auf seinen Schultern dass er sich im Schneckentempo fortbewegt Aronofsky hat eine Botschaft und die will er uns mitteilen, wenn nötig auch zehn Mal hintereinander.

Schon in den ersten Minuten spielt sich der Film als Oberlehrer auf. "Umweltzerstörung ist schlecht", postuliert er, so als gäbe es irgendjemanden, der daran zweifeln würde. Dieser Tonfall legt sich nach einer Weile zum Glück und wird vom Konflikt mit Kains Nachfahren und dem Bau der Arche abgelöst. Diese Dreiviertelstunde, die ihren Höhepunkt in der Flut findet, ist klasse. Aronofsky bedient sich der für ihn typischen, visuellen Spielereien, verliert das eigentliche Thema aber nie aus den Augen. Einzig die Wächter, gefallene Engel, die von ihrem Schöpfer in Stein eingeschlossen wurden, stören. Dieses Stück Fantasy passt nicht in eine ansonsten so minimalistische und schroffe Welt. Hinzu kommt, dass das CGI vor allem in 3D verschwommen wirkt und das Design an den Steinbeißer aus Die unendliche Geschichte erinnert. Kein Wunder, dass man die Wächter im Trailer nicht sieht.

Würde Noah mit der Flut enden, könnte man ihm seine Selbstgefälligkeit und die moralische Aufgeblasenheit verzeihen. Leider folgt aber darauf ein so träges Kammerspiel, dass sich die 140 Minuten Lauflänge des Films wie 440 anfühlen. Schließlich passiert das, was man eh die ganze Zeit erwartet hat und wenn das Licht im Kinosaal angeht, ist man nicht etwa erfüllt vom Geist der grünen Revolution, sondern gelangweilt und enttäuscht.

Noah ist kein schlechter Film. Die tolle Besetzung, die großartigen Bilder und die Dreiviertelstunde, in der er eine richtige Geschichte erzählt, gehören ebenso zu ihm wie die öde zweite Hälfte und seine humorlose Schwere. Man spürt Arnofskys Leidenschaft in jeder Einstellung, aber er scheitert an dem Anspruch, den er an sich selbst stellt. Er will zu viel und erreicht zu wenig. Deshalb mit sehr viel Wohlwollen:

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