Vares - Private Eye / Private Eye - Ein tödlicher Auftrag

Originaltitel: 
Vares - yksityisetsivä
Land: 
Finnland
Laufzeit: 
95 min
Regie: 
Aleksi Mäkelä
Drehbuch: 
Pekka Lehtosaari, Reijo Mäki
Darsteller: 
Juha Veijonen, Laura Malmivaara, Jari Halonen, Markku Peltola, Jorma Tommila, Minna Turunen, Samuli Edelmann
zusätzliche Infos: 
nach einer Vorlage von Reijo Mäki
Kinostart: 
03.08.05

Vares- Private Eye ist die erste Verfilmung des ersten Hardboiled Krimis des finnischen Autorens – einige sprechen schon vom Kultautoren – Reijo Mäki. Einige wenige dieser Romane sind in kleinen, auf skandinavische Literatur spezialisierten Verlagen auf Deutsch erschienen. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis Mäkis Romane auch für die große Leinwand verfilmt werden. Im Zuge der Popularität Henning Mankells und der exzellenten Verfilmungen seiner Bücher aus Schweden war es nur der logische Schritt, die Bücher in seinem Heimatland von einem heimischen Regisseur Aleksi Mäkelä im Jahre 2004 inszenieren zu lassen. In Deutschland lief „Vares- Private Eye“ im letzten Jahr auf dem Fantasy Filmfestival, bevor splendid jetzt den Film in einer schönen Edition als DVD mit einer 16er Freigabe auf den Markt bringt.


Filmkritik:
von Thomas Harbach (für SF-Radio.net)

Im ganzen Film regnet es. Nur am Ende in einer Hommage an Casablanca an einem Flughafen inszeniert scheint die Sonne. Wie der Regen auf das Gemüht drückt, ist „Vares“ als schwarze Komödie mit vielen Anspielungen auf andere hardboiled Detektive, aber natürlich auch auf das inzwischen eher parodierte als gelebte Quentin Tarantino geschrieben und gefilmt worden. Der Titelcharakter – Helden kommen im ganzen Film nicht vor – Vares ist ein heruntergekommener Detektiv – eine über weite Strecken differenzierte Darstellung von Juha Veijonen, melancholischer Gesichtsausdruck, aber in den emotionalen Szenen überfordert und in Unterwäsche nicht unbedingt ein schöner Mann -, der während einer Wehrübung der schönen Lehrerin Eeva begegnet. Diese hat zwei Probleme: einen Bruder, der viele Schulden gemacht hat, für die sie den Kopf hinhalten muss und einen Geliebten/ Freund, den sie in wenigen Tagen heiraten wird und der im Gefängnis sitzt, weil er Geld veruntreut hat. Geld der russischen Mafia, was nur indirekt ihr Problem ist. Da Vares wie alle Detektive seit Sam Spade nicht nur eine große Leber, sondern vor allem ein weiches Herz hat, möchte er der Frau helfen und gerät mitten zwischen die Fronten.

Der Handlung ist sehr geradlinig und lebt auch in der Zusammenfassung wenig auf. Das heißt jetzt nicht, dass der Film nicht unterhaltsam oder kurzweilig ist. Über weite Strecken wirkt er wie eine skandinavische Hommage an die neunziger Jahre des Hollywood- Kinos mit düster-nihilistischen Gangsterstreifen wie „True Romance“ oder „Reservoir Dogs“. Dazu kommt die verzweifelt- romantische Stimmung des unterschätzten „Romeo is bleeding“. Jetzt ist insbesondere Juha Veijonen kein Gary Oldmann und die Rolle des Vares nicht so vielschichtig und gehaltvoll angelegt, dass sie einen ganzen Film tragen kann. Trotzdem gewinnt er im Laufe des Films an Sympathie und eventuelle Fortsetzungen haben es sicherlich leichter, eine vielschichtigere und vielleicht introvertierte Geschichte zu erzählen. Es empfiehlt sich allerdings trotz der guten Synchronisation den Film im Original mit Untertiteln zu sehen, die fremde Sprache rundet das Bild deutlich besser ab als die zwangsweise eher harte deutsche Übersetzung. Die exotische Kulisse, das wirklich verregnete Wetter, der interessante Schnitt – so wird der Film immer wieder unterbrochen, um die neuen Protagonisten per Steckbrief dem Publikum mit einigen mehr oder minder ironischen Bemerkungen vorzustellen – und schließlich auch die überdrehte, absolut künstlich und deswegen interessante Farbgestaltung überdecken die Schwächen der Handlung und die auf dem Prinzip Zufall ablaufenden Ermittlungen sehr gut.

Obwohl sich der Film handlungstechnisch sehr eng an das Buch hält, haben Drehbuchautor und Regisseur auf die ursprünglichen Witze der Vorlage gänzlich verzichtet und Pekka Lehtosaari hat gänzlich neue geschrieben. Auf den ersten Blick irritiert diese einzige augenscheinliche Änderung im Verlauf des Films, wenn man die literarische Vorlage kennt.

Als Ganzes betrachtet wollte das Drehbuch/ Regieteam allerdings mehr dem äußeren Erscheinungsbild der jetzt Leinwandfiguren und den durch die Schauspieler eingebrachten Nuancen entsprechen. Nicht alle Inside- Jokes treffen wirklich ins Ziel, vielleicht sind einige auch nur für Finnen wirklich zu verstehen. Der Regisseur bemüht sich, diesen oft sehr rasant und damit verfremdet geschnittenen Film immer wieder in einzelne Spannungs- und Handlungsbögen aufzuteilen, die auf Umwegen und nicht immer logisch schließlich zu einer einsamen schmutzigen Lagerhalle führen. Dort findet schließlich der obligatorische Showdown statt. Im Gegensatz zur gängigen Exposition wird allerdings auf einen überraschenden und in dieser Form nicht erwarteten Trick zurückgegriffen. Ein wichtiger, im Hintergrund agierender Charakter erkennt in letzter Sekunde seine wahre Bestimmung und befreit Vares und Eeva aus einer ansonsten aussichtslosen Situation. Leider deutet die Art der Inszenierung auf diesen Befreiungsschlag hin und in bester James Bond Manier müssen sich die Bösewichte erst vor ihren nächsten Opfern mit angeblichen Heldentaten brüsten.

Der Höhepunkt des Films sind die vielen Details und Nebencharaktere, die der Regisseur Mäkelä aus den einzelnen Büchern liebevoll überträgt. Dabei greift er auf Schauspieler zurück, mit denen er in seinen vorherigen Filmen schon zusammengearbeitet hat. Diese Vertrautheit überträgt sich auf deren Leistung. Die Liste der einzelnen, oft isoliert stehenden Höhepunkte ist zu lang, um alle aufzuzählen. So wettet Vares mit seinem langjährigen Freund und Saufkumpanen Luusalmi, keinen Alkohol zu trinken, bis das emotionale Gleichgewicht wieder hergestellt und das Liebesproblem gelöst worden sind. Das hindert die Beiden nicht daran, fleißig Alkohol zu kaufen. Aus ihrer Stammkneipe fliegen sie, weil sich andere Gäste über die Dutzende von vollen Gläsern vor den beiden schrägen Typen beschweren, auf der Kinderschaukel im Regen genießen sie ihr Beisammensein, in dem sie sich zuprosten und dann den Alkohol ausschütten! Dazu kommt das überdrehte Killerduo Hillosilmä- Munck und Tetsuo Sinkkonen, in bester Tarantino- Manier mit weißen und schwarzen Handschuhen, lockeren Fingern an den großkalibrigen Waffen und einer Vorliebe für „Pulp Fiction“! Leider bringen diese beiden exzentrischen Charaktere bei jedem Auftreten die Handlung zum Erliegen und sie verzerren deutlich die spannenden Showdowns. Der Zuschauer ahnt schließlich, was mit ihnen passieren wird, das wie ist natürlich interessant, aber hier wird zu Lasten eines geradlinigen Plots eher Füllmaterial geboten. Mit dem gemeingefährlichen Jari Halonen dagegen als Karl E. Miesmann wird ein überzeugender Bösewicht etabliert. Das hinter seiner Fassade eine weitere Instanz – noch gefährlicher, noch brutaler – ein Intrigennetz spinnt, verdeutlicht die Schlusssequenz, wird aber nicht weiter ausgeführt. Im Gegensatz zur bezaubernden Laura Malmivaara – in der Mitte des Films trägt sie eine schwarze Kurzhaarperücke und wirkt deutlich erotischer als zu Beginn des Abenteuers – und dem eher blassen Vares haben es wie so oft die Bösewichte mit ihren Rollen deutlich leichter und sie gewinnen auch schnell durch ihre exzentrische Charakterisierung die Überhand.

Obwohl Gewalt ein stetiger Begleiter der einzelnen Protagonisten ist, greift die Regie nicht vordergründig auf dieses spannungstechnische Mittel zurück. Es sind insgesamt zwei Sequenzen – beide spielen in abgeschlossenen Räumen -, in denen das Blut dann allerdings in Strömen fließt und die Emotionen jegliche Vorsicht über Bord spülen. Waffen werden allerdings dagegen in fast allen Szenen gezeigt, gezogen oder geschwenkt. Oft wirkt die Symbiose unfreiwillig homoerotisch. Widerklang findet diese Theorie im letzten Satz eines der beiden Killer. Ein einfaches „I love you“ als Ausdruck einer ungewöhnlichen Liebe und pointierter Höhepunkt einer Reihe von Irrtümern in Sachen Liebe, Sex und Gefühlen.

Als Gesamtwerk betrachtet leidet „Vares“ unter dem typischen Pilotfilmsyndrom. Innerhalb einer begrenzten Zeit müssen eine Unzahl von Charakteren eingeführt und dem Leser überzeugend präsentiert werden. Dazu sollten eine überzeugende Handlung, eine gute Kameraführung und schließlich ein logischer Spannungsbogen kommen. So sehr sich das Team um den Regiesseur Aleksi Mäkelä auch bemüht, erinnert „Vares“ nicht unbedingt an eine gelungene Quentin Tarantino Hommage, sondern auch Guy Ritchies nicht schlechte, aber auch nicht herausragende Filme. Da gute finnische Filme in westlichen Kinos eher selten sind, einige der Witze wirklich originell und insbesondere die Nebencharaktere unwahrscheinlich facettenreich, aber exzentrisch gezeichnet worden sind, lohnt sich trotz aller Schwächen ein Blick auf „Vares“, den typischen Verlierer unter den Privatdetektiven in einem verregneten, kalten Finnland.

Zu den Extras gehören neben einem schwermütigen, aber auch schwerfällig inszenierten Musikvideo – ein starker Kontrast zum her mondänen Soundtrack des Films – Teaser und Trailer, der mehr über den Hintergrund Vares offenbart als der gesamte Film. Die Handvoll geschnittener Szenen tragen wenig zur eigentlichen Charakterentwicklung bei. Es sind eher exzentrische Auswüchse, schön anzusehen, einige auch mit optischem Witz inszeniert, aber sie hätten den Handlungsbogen noch weiter gedehnt und zum eigentlichen Plot nichts beitragen. Einzig die erste Begegnung der beiden weiblichen Charaktere am Tag vor der Hochzeit auf einer Damentoilette und ein tiefgründiges philosophisches Gespräch über Brieftaschen und Penisse wäre eine sehenswerte Bereicherung des eigentlichen Films gewesen.

Das Making Off besteht aus sehr vielen Sequenzen des Films – in Finnisch und ohne Untertitel. Dazwischen immer wieder kurze auf den Sets aufgenommene Interviews, die den Hintergrund der Schauplätze – unter anderem eine Kultkneipe in Turku – beleuchten, aber auch versuchen, die einzelnen Charakter zu hinterfragen und deren Handlungen zu interpretieren. Die Reportage ist sehr ausführlich, sie zeigt aber auch eine Reihe der bizarren und damit besten Szenen, umgeben von mehr oder minder treffenden Kommentaren. Als Ergänzung zu DVD insbesondere unmittelbar nachdem man das Feature genossen hat, eher ungeeignet, da die Macher zu wenig ins Eingemachte gehen, eher ein begleitender Bericht fürs Fernsehen, um auf den Film aufmerksam zu machen. Trotzdem wirkt dieser Anhang insbesondere zu Beginn ein wenig ungeordnet, der Zuschauer vermisst eine vernünftige Einleitung, in der etwas mehr über Vares und seinen literarischen Hintergrund berichtet wird. Es folgen zwei Drehberichte vom Stunt mit dem Polizeiwagen. Einmal wird der eigentliche Stunt aus verschiedenen Perspektiven allerdings ohne weitere Erläuterungen gezeigt, danach folgen Aufnahmen vom Stuntman und eine Nachbesprechung der Szene. Er wäre schön gewesen, den Beitrag mit einer Vorschau auf die Planung, Durchführung und schließlich Nachbesprechung abzurunden. Der schönste Beitrag ist Reijo Mäkis Portrait seines Lonesome Cowboys… äh Detectives. Er betrachtet ironisch seinen Antihelden, dessen Verhältnis zu Frauen im Allgemeinen und seine schlechten Erfahrungen mit ihnen. Er verweist auf dessen Verlobte, die ermordet worden ist. Untermalt wird dieser nicht ganz ernste, aber sehr unterhaltsame Beitrag durch Bilder aus Turku, Vares Stadt aber nicht unbedingt seine Heimat.

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