U-Boot in Not

Originaltitel: 
Gray Lady Down
Land: 
USA
Laufzeit: 
111 min
Regie: 
David Greene
Drehbuch: 
James Whittaker, Howard Sackler
Darsteller: 
Charlton Heston, David Carradine, Stacy Keach, Ned Beatty
Kinostart: 
27.04.78

Filmkritik:
von Thomas Harbach (für sf-radio.net)

Mit U- Boot in Not – der Originaltitel Grey Lady down ist um einiges passender und poetischer, paßt sich vor allem in der Marinesprache ein – legt Koch Media einen der interessanteren Katastrophenfilme der siebziger Jahre vor. Immerhin befanden sich am Ende dieses kurzlebigen Filmzyklus unter anderem ein Passagierschiff – Poseidon Inferno -, diverse Arten von Flugzeugen – siehe Airport bis Das Concorde Inferno – und schließlich ein Hochhaus Flammendes Inferno – im Fokus der Filmemacher. Nicht selten sind die Filme mit alternden, aber bekannten Filmstars angereichert worden, die unter Führung eines charismatischen Verlierers – bis zu diesem Augenblick, siehe Gene Hackmann oder Steve McQueen – und großen Opfern aus den im Grunde auswegslosen Situationen gerettet werden konnten. In den dreißig Jahren, welche zwischen der Entstehung des Films und seiner Neuauflage auf DVD liegen, hat sich die Technik zum Retten von verunglückten U- Bootfahrern nicht sonderlich weiter entwickelt. Wie sehr Triumph und Tragödie zusammenhängen, hat die russische Kursk bewiesen.

Der Kommandant des Atom-U-Boots „Neptun“ Captain Paul Blanchard - dargestellt von Charlton Heston - macht seine letzte Routinefahrt, bevor er zum Flottenchef ernannt wird. Sein erster Offizier soll das Kommando übernehmen. Während dichten Nebels wird das U- Boot von einem Frachter gerammt und unter Wasser gedrückt. Das Schiffsradar ist ausgefallen. Die „Neptun“ sinkt wie ein Stein und kommt auf einem Felsenriff in ungefähr 300 Meter zum Liegen. Sollte sie von der Klippe stürzen, würde der Druck das Schiff sofort vernichten. Es ist schon ein Wunder, dass von der Besatzung immerhin noch knapp die Hälfte lebt. Der Sauerstoff reicht für 36 Stunden. Die Marine setzt ein spezielles Rettungs- U- Boot in Marsch, das aber nicht sofort eingreifen kann, weil die „Neptun“ durch die heftigen Erdbewegungen im Graben eine Schieflage bekommt. Nur ein Spezial- U- Boot unter dem Kommando des Erfinders – David Carradine in einer sehr zurückgehalten gespielten Rolle - kann der Neptun noch zu Hilfe kommen. An Bord kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen dem Kommandanten und seinem Stellvertreter, welcher der Ansicht ist, dass Blanchard mit der Überwasserfahrt nur sein Ego befriedigen wollte.

Als 1978 die Produktion „Grey Lady Down“ begonnen hatte, lagen gerade 15 Jahre zwischen dem Filmbeginn und dem Verlust des amerikanischen U- Boots „Tresher“, die 1963 mit ihrer Besatzung versunken ist. Die US – Marine hat ihre damalige Technik der Filmproduktion zu Verfügung gestellt, aber die Tiefseerettungsboote waren noch zu Beginn ihrer rasanten Entwicklung. Ganz bewusst wollten die Produzenten um Regisseur David Greene, der niemals wieder in seiner langen Karriere eine derartige Starbesetzung anleiten durfte, einen geradlinigen, humorlosen, spannenden Katastrophenfilm drehen, in welchem die Technik und die einzelnen Charaktere in einem stetigen Wettstreit miteinander stehen. Ganz bewusst ist die Technik so realistisch wie möglich dargestellt worden. Für den gewöhnlichen Zuschauer schwer zu erkennen, bleibt der militärische Gehabe ein Buch mit sieben Siegeln. Das aber ein kleines Tiefsee-U-Boot auf der Luke eines größeren Atom-U-Bootes andocken kann, konnte verständlich und konsequent vermittelt werden. Kritische Fragen wie der Verbleib des abgestellten Reaktors sind ebenso wenig beantwortet worden wie in der Realität der späteren Atom- U-Boot Unfalle. Hier bleibt „K19“ wahrscheinlich der herausragende und empfehlenswerteste Film zu diesem Thema. Von der technischen Seite her fallen die Kompromisse wahrscheinlich nur den wirklichen Militäranhängern auf. So hätte es in der USS Neptun bei den vorliegenden Schäden weder eine Sauerstoffversorgung noch Licht geben dürfen. Das ein Klein U-Boot wirklich das U- Boot für einige Sekunden oder Minuten stabilisieren kann, ist ebenfalls fraglich. Warum die wichtige Sprengladung mittels eines fast 300 Meter langen Kabels gezündet werden muss, ist ebenfalls eine Frage, die nicht beantwortet werden kann. Tricktechnisch überzeugt der Streifen allerdings nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass sich Green bemüht hat, die in der Tiefsee spielenden Szenen möglichst sehr dunkel zu gestalten und so die Modelle zu tarnen. In diesem Punkt überzeugt insbesondere die digitalisierte DVD Veröffentlichung aus dem Hause Koch. Die notwendigen Details sind noch zu erkennen und bieten damit zum ersten Mal seit der Kinoveröffentlichung der ursprünglichen Sehgenuss.

Der Film lebt aber weniger von seiner geradlinigen, aber spannenden Handlung, sondern den vielen bekannten Gesichtern, welche ihre Rolle teilweise solide, dann wieder erstaunlich nuanciert spielen. Allen voran die Kinoikone der sechziger und siebziger Jahre: Charlton Heston. Er ist ein klassischer Held, welcher die Moral seiner Truppe im versunkenen U-Boot aufrechterhält, sich mit seinem Untergebenen bis zu dessen Opfergang streitet und schließlich als letzter das Boot verlässt. In der englischen Originalfassung wirken seine Dialoge ein wenig gestelzt und steif, hier überzeugt insbesondere die deutsche Synchronisation. Mit dem Vollbart wirkt er im Vergleich zu anderen Hauptrollen deutlich gealtert, aber nicht gesetzter. Heutzutage wird das Bild eines U-Boot- Kommandanten sicherlich mehr von Sean Connery in „Jagd auf roter Oktober“ geprägt. Da Greene sich entschlossen hat, im Grunde zwei parallele Handlungsstränge aufzubauen – im U-Boot selbst und auf dem Rettungsschiff – wäre es sinnvoll gewesen, Heston einen adäquaten „Gegenspieler“ an die Seite zu stellen. So sehr sich Stacy Keach auch bemüht, seine Rolle an Bord des Rettungsschiffes zu spielen, er wirkt nicht in seinem Element. Weder das militärische Gehabe noch seine Diskussionen mit David Carradine überzeugen. David Carradine als selbstloser Erfinder eines Testunterseebootes hat die mit Abstand beste Rolle erhalten. Als Zivilist zwischen den ganzen hilflosen und überforderten Militärs kann er mit seiner scharfen Zunge die ihn umgebende Arroganz durchbrechen und seine Position unterstreichen. Er wirkt wie ein Opportunist, welchem das Schicksal ein goldenes Blatt zur Verfügung gestellt hat. Zu Beginn geht es ihm weniger um die Soldaten an Bord der versunkenen „Neptun“, sondern mehr um die Tatsache, seine Erfindung präsentieren zu dürfen. Zusammen mit dem überambitionierten Ned Beatty – ein bekanntes Gesicht in einer für ihn gänzlich anderen Rolle, im gleichen Jahr wird er zusammen mit Gene Hackmann und dem unten erwähnten Christopher Reeve in „Superman“ mitspielen – bildet er ein interessantes Team. Der Plot verläuft so mechanisch, dass der Zuschauer erst gegen Ende des Films dank Carradines Opfergang bemerkt, was dem Streifen bislang händeringend fehlt. Eine dem Notfall entsprechende Hektik. Immerhin läuft den eingeschlossenen Menschen im Boot die Zeit im wahrsten Sinne des Wortes davon. Viele Abläufe wirken routiniert und unaufgeregt. Wenn der Zuschauer den insgesamt dritten Tauchgangs Carradines verfolgt, schwindet die Spannung in diesem Drama. Erst auf den letzten Metern überschlagen sich wieder die Ereignisse und der Plot nimmt plötzlich rasant, aber auch den Gesetzen des Katastrophenthrillers inklusiv des Opferung eines Menschen viel Fahrt auf. In der Crew des U- Boots kann man noch einen sehr jungen Christopher Reeve in seinem ersten Film erkennen, während das menschliche Element – die Angehörigen – im Vergleich zu den langen Einstellungen auf die diversen Marinefahrzeuge gänzlich in den Hintergrund gedrängt worden ist. Weiterhin nutzen die Produzenten Ideen aus dem wenige Jahre vorher entstandenen „Airport 77“, in welchem eine Linienmaschine nach ihrer Notwasserung gesunken ist. Die beiden Filme bilden ein interessantes Double- Feature. Wie unaufgeregt die Besatzung bis auf einige wenige übertriebene hysterische Anfälle und geistige Blackouts agiert, zeigt sich in der Tatsache, dass sie nicht in ihren Kojen liegen und versuchen, den lebensnotwendigen Sauerstoff zu sparen, sondern sich „Der weiße Hai“ im Bordkino ansehen.

Zusammengefasst gehört „U- Boot in Not“ zu den Filmen, an welche sich viele Zuschauer mit nostalgischen Gefühlen ohne Rücksicht auf die eigentliche Qualität erinnern. Die Zahl derer, welcher den Film bei seinen Widerholungen im Fernsehen gesehen hat, dürfte größer sein als die Anzahl der Kinogänger. Für einen immerhin dreißig Jahre alten Streifen lässt sich das Katastrophenszenario noch sehr gut ansehen. Auch wenn es auf den ersten Blick widersinnig erscheint, lässt das militärische Gehabe – insbesondere die Navy hat sich in erster Linie waffentechnisch, aber weniger schiffstechnisch weiterentwickelt – den Streifen zeitloser erscheinen. Die vielen bekannten und damals noch jungen Gesichter inklusiv einer Handvoll markanter Stars wie Charlton Heston und David Carradine geben dem Streifen ein besonderes Flair. Die Handlung ist geradlinig, wenn auch manchmal unlogisch. So hätte die Besatzung sicherlich auf diese Art und Weise aus einem gesunkenen U- Boot geborgen werden können, aber nachdem hier gezeigten Unfall der Neptun ist es unwahrscheinlich, dass sie Mannschaft überhaupt so lange gelebt hätte. Der Film folgt den mechanischen Gesetzen der Katastrophenwelle, allerdings konzentriert er sich auf die goldenen Regeln der Männerfreundschaften. Die wenigen Frauen haben im wahrsten Sinne des Wortes Sekundenauftritte, in denen sie besorgt aussehen dürfen. Wenn am Ende des Streifens Keach dem geretteten Heston allerdings die Hand auf die Schulter legt, ist die Szene großes Kino, das keiner weiteren Worte bedarf. „U- Boot in Not“ ist solide Unterhaltung und einer der besseren Katastrophenthriller, auch wenn das militärische Gehabe manchen Zuschauer eher abschrecken wird.

Koch Media legt den Streifen in einer exzellenten Fassung vor. Die digitale Restaurierung hat insbesondere in den Oberwasserszenen wahre Wunder bewirkt. Das Bild ist scharf, die Kontraste hervorragend herausgearbeitet und die Unterwasserszenen soweit es die Trickeffekte und das Material zu lassen überzeugend. Die Tonspur in Dolby Digital 2.0 lassen sich gut hören, Jerry Fieldings guter Soundtrack kommt zu neuen Ehren. Das einzige Extra ist der Originalkinotrailer.