Liebe lieber ungewöhnlich: Kritik zu Professor Marston & The Wonder Women

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Professor Marston & The Wonder Women

Einer der großen Kinohits in diesem Sommer war unbestritten die lang erwartete Blockbuster-Verfilmung von Wonder Woman. Doch obwohl die Amazone mittlerweile weit über das DC-Universum hinaus bekannt ist, wissen die Wenigsten um ihre Entstehungsgeschichte. Das Indie-Biopic Professor Marston & the Wonder Women erzählt die Ursprünge der Heldin rund um ein güldenes Lasso, den unbedingten Glauben an die Liebe und ein gut gehütetes Geheimnis - im echten Leben und völlig ohne Superkräfte.

Handlung: Wonder Woman an der Uni

Dr. William Marston ist Professor für Psychologie an der renommierten Harvard-Universität. Zusammen mit seiner hochintelligenten Ehefrau Elizabeth arbeitet er an der Fertigstellung eines Lügendetektors. Bei seiner Vorlesung fällt dem Ehepaar bald die junge Studentin Olive Byrne auf. Das Ehepaar beginnt eine Dreiecksbeziehung mit Olive, die durch ihr gemeinsames Faible für Bondage-Spiele und die feministischen Ideale geprägt wird. Die Beziehung der drei inspiriert William Marston schließlich zur Erschaffung der Amazonen-Ikone Wonder Woman. Doch die Veröffentlichung der ersten Comicbänder sorgt bald für einen akademischen Skandal, und auch die Nachbarn der Liebenden nehmen die Beziehung nicht ohne Weiteres hin.

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Professor Marston mit beiden Frauen

Neue Werte für eine neue Zeit

Haben wir nun endlich die neue Meta-Ebene der Superheldenverfilmungen erreicht? Die wechselvolle Geschichte rund um William Marston ist geradezu prädestiniert, um eine neue Ideenreihe zu eröffnen: Die Schöpfungsmythen der Comics, die uns nun seit mehr als einer Dekade umgeben. Die Regisseurin Angela Robinson hat sich bereits zuvor mit LGBT-Themen und Sexualität in der Gesellschaft auseinandergesetzt: Die erfolgreiche Queer-Serie The L Word geht genauso auf ihr Konto wie der Film Spy Girls - D.E.B.S., für den sie sogar den Leserpreis der deutschen Zeitschrift Siegessäule erhielt. Dass es sich bei Professor Marston & the Wonder Women neben der durchaus packenden Story um ein Herzensprojekt handelt, merkt man dem Film in jeder Minute deutlich an. Die Dialoge der Figuren sind ebenso witzig wie klug, zugleich scheinen sie aktueller denn je, so wenig hat sich die Wertediskussion zwischen den konservativen Gemütern und den heutigen Regenbogenfamilien weiterentwickelt.

Durch die Frage, wer wen unter welchen Umständen lieben darf, stößt Professor Marston & the Wonder Women hier also eine leider noch immer notwendige Debatte ein weiteres Mal an. Lehrreich dürften für den einen oder anderen die scharfsinnigen Dialoge über Liebe, Freiheit und Feminismus sein, die Mr. Marston mit seiner Ehefrau führt. Im wahrsten Sinne des Wortes reizvoll sind auch die Szenen mit dem Lügendetektor oder im Sexshop, bei der nicht nur der Neuling die Hintergründe von Bondage anschaulich erklärt bekommt, sondern über Umwege auch Wonder Woman das erste Mal zu sehen ist - zumindest ihre Ausstattung.

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Bella Heathcote Olive Byrne

Robinson gelingt hier das Kunststück, den Blick auf die Figuren nie zu voyeuristisch zu inszenieren. Die Ängste und Zweifel der Protagonisten aufgrund dieser neuen Lebensweise werden dennoch deutlich. Fans des Comics müssen sich jedoch auf einen Wermutstropfen einstellen: Wie William Marston den Geistesblitz dann in die Tat umsetzt, dass er mittels Comics die Lehre der freien Liebe in die Welt setzen will, kommt leider etwas zu kurz.

Gerne hätte man auch die Entstehung der Zeichnungen selbst gesehen - Marston selbst bringt nur krakelige Strichmännchen zustande - doch der Fokus des Films liegt vielleicht ein wenig zu sehr auf der Dreiecksbeziehung an sich, als auf der Entstehung des Comics. Auch bedient sich das Drehbuch einiger künstlerischen Freiheiten, um dramaturgisch noch mehr aufzutrumpfen. So hatte sich Marstons Enkelin Christie Marston zumindest bei Twitter und in einem Gastbeitrag bei Hollywood Reporter sowie in einem Interview mit dem Forbes Magazine über diverse irrwitzige Szenenbasteleien und die fälschlich dargestellte Beziehung zwischen Elizabeth und Olive beklagt. Dem Kinospaß tut dies jedoch keinen Abbruch.

Cast: Geht ans Herz

Ein gelungenes Biopic erkennt man oft auch daran, dass man sich die Figuren in keiner anderen Epoche mehr vorstellen kann. Luke Evans (Fast & Furious, Dracula Untold) fühlt sich als Mr. Marston in der Rolle des unkonventionellen Akademikers sichtlich wohl. Er strahlt die Ruhe und die Kraft eines liebenden Ehemannes aus, jedoch wirken auch die Sexszenen trotz ihres leichten Schmalz-Faktors nicht allzu aufgesetzt.

Bei Bella Heathcote (Stolz und Vorurteil und Zombies, The Man in the High Castle) wird direkt zu Beginn ihre auffallende Schönheit thematisiert - und damit auch dramaturgisch auf angenehme Weise aus dem Weg geräumt. Sie spielt die sanfte, fast schüchterne Olive, die voller Lebensfreude steckt. Auch trägt sie dazu bei, dass der Film kein reines Voyeurstück wird, denn sie transportiert die Zweifel der jungen, unverheirateten, bald auch schwangeren Studentin durchaus überzeugend.

Mit Rebecca Hall (Prestige - Meister der Magie, Iron Man 3) als Elizabeth Marston findet der Film den perfekten Gegenpart zu Olive. Die Intelligenz und der Witz, den Hall als Elizabeth Marston versprüht, ist in jeder Szene förmlich mit Händen zu greifen. Sie ist es auch, die diese ungewöhnliche Beziehung am Leben erhält, und auch mal deutliche Worte für die vertrackten Situationen findet, in die sich die Liebenden hineinmanövrieren, was in der sonst teils etwas braven Inszenierung für frischen Wind sorgt.

Kamera und Musik: Ein bißchen Schmalz muss sein?

Bei Professor Marston & the Wonder Women dominiert eine heimelige Herbst-Atmosphäre, warme Bilder und elegische Klavierstücke. Klingt schwülstig? Ist es zuweilen auch. Jedoch helfen die Komponenten Bild und Sound dabei, dem unbedarften Zuschauer das sonst recht unkonventionelle Thema Bondage und eine schwierige Liebesbeziehung näher zu bringen. Die Szenen, in denen der Professor Jahre später einer disziplinarischen Befragung unterzogen wird - natürlich in unwirtlichen, kühlen Bildern gezeichnet - wirken hier teils ein wenig zu sehr mit dem erhobenen Zeigefinger inszeniert.

Fazit

Mit Professor Marston & the Wonder Women wird Entstehungsgeschichte zur feministischen Superhelden-Ikone Wonder Woman überzeugend erzählt. Wo der Film mittels Musik und moralischen Grundsatzdiskussionen an Schwülstigkeit etwas zu dick aufträgt, macht er es mit dem exzellenten Cast doppelt wieder gut. Die Dreiecksbeziehung kann mit all ihren Eifersüchteleien und Problemen überzeugen. Lediglich der reine Schaffungsprozess des Comics kommt etwas zu kurz.

PROFESSOR MARSTON & THE WONDER WOMEN | Final Trailer

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