Kritik zu Doctor Sleeps Erwachen - Wenn das Shining ruft

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Doctor Sleep

Nach den Geschehnissen im Overlook-Hotel hat sich Danny Torrance (Ewan McGregor) leidlich berappelt. Dennoch quälen ihn auch 40 Jahre später noch heftige Alpträume und Visionen, so dass er deutlich zu oft zur Flasche und anderen Substanzen greift. Seine Gabe hat er weit von sich weggeschoben und schleppt sich durch die Tage. Als er nach einem weiteren Drogenabsturz sein Leben ändern und von der Sucht loskommen will, landet er in der Kleinstadt Frazier. Hier trifft er auf Billy Freeman (Cliff Curtis, Fear the Walking Dead, Avatar-Reihe), der ihn bei sich aufnimmt. Danny findet durch ihn im Sterbehospiz eine neue Aufgabe, da er mit seinem Shining den Todgeweihten die Angst zu nehmen vermag.

Nach einiger Zeit sucht ihn die 13-jährige Abra (Kyliegh Curran) auf, um ihn um Hilfe zu bitten. Sie verfügt auch über das Shining und hat mit angesehen, wie ein Junge von einer Gruppe bösartiger Dämonen, die sich der “Wahre Knoten” nennt, getötet wurde. Auch er zeigte Anzeichen vom Shining. Zusammen mit Danny will Abra die düsteren Mächte finden und vernichten. Bald kommen die beiden Rose The Hat (Rebecca Ferguson, Mission Impossible-Reihe, Life, Men in Black: International), der Anführerin des “Knotens”, auf die Spur. Sie hat eine Möglichkeit gefunden, den Kindern bei einem besonders qualvollen Tod das Shining in Form des Steam abzupressen, um ihr eigenes Leben zu verlängern. Und sie hat besonders Gefallen an Abra gefunden, von deren Shining sie sich ewig ernähren könnte …

Doctor Sleep

Willkommen im Overlook-Hotel, fühlen Sie sich ganz wie zu Hause!

Wie gestaltet man eine Fortsetzung für einen der größten Filmklassiker? Regisseur Mike Flanagan (Spuk in Hill House) muss mit Doctor Sleeps Erwachen nicht nur der Vorlage des Kultregisseurs Stanley Kubricks gerecht werden - nicht ohne Grund gehört die Adaption optisch und in Sachen Horror-Gewohnheiten bis heute zu den beliebtesten King-Verfilmungen. Zugleich muss sich Flanagan auch Stephen Kings Buchvorlage und den Vorstellungen des Autors anpassen - dieser war bekanntermaßen ganz und gar nicht einverstanden mit Kubricks Adaption seines Buches.

Durch diese eingebaute Kontrollinstanz wird Doctor Sleeps Erwachen dankenswerterweise nicht einfach zu einer platten filmischen Fortsetzung von Shining - auch wenn sich Flanagan den einen oder anderen filmischen Ausflug ins Overlook-Hotel nicht verkneifen kann. Diese sind jedoch ansehnlich in Szene gesetzt, und das Gruselhotel kann auch nach über 40 Jahren noch seinen Horror auf den Zuschauer wirken lassen.

Auch dürfen einzelne Einstellungen als deutliche Hommage an Kubricks Kameramann John Alcott gewertet werden, ohne Doctor Sleep seine eigene Handschrift zu nehmen. Eine deutliche Empfehlung, zumindest als Gedankenstütze das Original zu schauen, sei hiermit ebenfalls ausgesprochen - ohne Vorkenntnisse dürfte der Zuschauer an Doctor Sleeps Erwachen wenig Freude haben.

Hotel

Besetzung: Leichte Abzüge in der B-Note

Woran Doctor Sleeps Erwachen allerdings ein wenig leidet, ist seine etwas zerfaserte Buchvorlage. King versucht hier, viele Themen einzubringen, die der Film zwangsläufig nur unzureichend abhandeln kann. So werden anfangs zwar die Alkoholsucht und das Trauma von Danny eindrücklich geschildert, andere Traumata, die im Buch durchaus eine Rolle spielen, müssen hier aber in den Hintergrund rücken. Auch die tiefe Freundschaft zu Billy wird kaum ausgeleuchtet - dabei böte sich hier viel Material, um Danny auch als Erwachsenen nicht nur traumatisiert, sondern vielschichtiger zu zeigen.


Dennoch kann Ewan McGregor, der selbst zu Trainspotting-Zeiten nicht so abgerissen, verlebt und abgrundtief unglücklich aussah wie in diesem Film, in seiner Rolle als Torrance-Spross überzeugen. McGregors spürbare Zweifel an seiner Wahrnehmung und das Leiden, das mit seiner Sucht einhergeht, werden hier mit der gleichen Intensität ausgespielt wie der leichte Hoffnungsschimmer, der ihn im Hospiz schließlich seiner neuen Aufgabe nachgehen lässt.

Abra Hat
Auch die Charakterzeichnung der kleinen Abra hätte an einigen Stellen ein klein wenig mehr Tiefe vertragen können - wenn auch die Neuentdeckung Curran schauspielerisch der Leistung McGregors absolut ebenbürtig ist. Auch die kurzen Szenen, in der der kleine Danny (Roger Dale Floyd) und seine Mutter Wendy (Alex Essoe) gezeigt werden, fügen sich gut in den Kanon ein - nicht nur werden hier die Figuren gut weitergeführt, sondern können auch das Trauma, das das Hotel bei Mutter und Sohn hinterlassen hat, schauspielerisch auffangen.

Rebecca Ferguson darf als Rose The Hat grandios aufspielen. Ferguson, die zunächst wie eine harmlose, etwas entrückte Aussteigerin aus einer Hippie-Kommune wirkt, schafft es, zugleich verführerisch und abgrundtief sadistisch zu sein. Sie dürfte damit neben Jack Torrance selbst als eine der besseren King-Bösewichte in die Film-Annalen eingehen. Den restlichen Mitgliedern des “Wahren Knotens” ist das leider nicht vergönnt - vor allem die neu akquirierte Snakebite Andi (Emily Alyn Lind) dient als reine Schablone für die Erklärung der Machenschaften des “Knotens” und bleibt daher recht blass.

Alte Bekannte neu interpretiert

Ein gelungener Einfall ist es hingegen von Flanagan, bereits etablierte Schauspieler im King-Universum wieder auftauchen zu lassen. So dürfen sowohl Carel Strycken als auch Bruce Greenwood eine kleine Rolle in Doctor Sleeps Erwachen übernehmen. Die beiden konnten sich bereits bei der Netflix-Verfilmung Das Spiel (2017) hervortun.
Allerdings muss der Zuschauer im Mittelteil ein wenig Sitzfleisch beweisen - eine leichte Kürzung um gute 20 Minuten hätte dem Film hier durchaus gutgetan - so schön es auch ist, das berühmteste Hotel der Filmgeschichte noch einmal durchstreifen zu dürfen. Doch vielleicht hat sich Flanagan hierbei auch an der langsamen Erzählweise Kubricks orientiert - genug Grund, die Sets in aller Ruhe in Szene zu setzen, gibt es allemal.

Auch die wenigen Rückblicke in Dannys Vergangenheit will man nicht missen. Auch hilft es, die ohnehin verzwickte Handlung besser zu entwirren. Glücklicherweise verzichtet Flanagan auch auf allzu moderne Erzählweisen und optische Hilfsmittel. Auch wenn Doctor Sleeps Erwachen im Jahr 2011 spielt, kommt der Film angenehm zurückhaltend daher, was die zeitliche Einordnung angeht. Zwar klebt die kleine Abra in ihrer Freizeit beispielsweise wie jede Dreizehnjährige am Smartphone - im Kampf gegen eine jahrhundertealte Macht wird dieses aber schnell beiseite gelegt und sich auf das Wesentliche konzentriert. In der Kleinstadt ticken die Uhren eben noch anders.

Rebecca Ferguson

Fazit

Doctor Sleeps Erwachen funktioniert nicht ohne The Shining - also bitte vorher das Original noch einmal nachholen. Allerdings kommt auch die Buchvorlage des Nachfolgers etwas überfrachtet daher, was der Film nicht an allen Stellen zufriedenstellend ausgleichen kann.Die sorgfältig in Szene gesetzten Kamerafahrten und die moderne Adaption der Handlung, die jedoch noch immer recht zeitlos wirkt, sorgen für angenehm viele Schauwerte. Alles in allem darf Doctor Sleeps Erwachen sich wohl damit in die Reihe der durchaus gelungenen King-Filmadaptionen einreihen.

zusätzlicher Bildnachweis: 
© Warner Bros.
Doctor Sleep
Originaltitel:
Doctor Sleep
Kinostart:
21.11.19
Regie:
Mike Flanagan
Drehbuch:
Mike Flanagan
Darsteller:
Ewan McGregor, Rebecca Ferguson, Zahn McClarnon, Carl Lumbly, Alex Essoe, Kyliegh Curran, Bruce Greenwood, Emily Alyn Lind, Jocelin Donahue, Jacob Tremblay, Zackary Momoh
Die Fortsetzung von Shining erzählt die Geschichte des mittlerweile erwachsenen Danny Torrance.

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