Kritik zu The Walking Dead 7.14: The Other Side

SPOILER

"The Other Side", so heißt die vierzehnte Folge der siebten Staffel, und der Titel könnte sich auf gleich mehrere Handlungsstränge beziehen. So brechen Sasha und Rosalita zu Team Negan auf, Eugene scheint die Seiten zu wechseln, der wunderbar schleimige Gregory hegt ähnliche Gedanken, die Lebenden reden über die Toten und das Auftauchen einer rätselhaften Gestalt könnte einen weiteren Seitenwechsel ankündigen.

Die Folge eröffnet mit einem der Höhepunkte, der Rückkehr der lang vermissten Maggie, deren Alltag auf dem Hügel wir in einer dialoglosen, musikuntermalten Sequenz begleiten. Zwei Dinge werden schnell klar: Dies ist keine verbitterte, in sich gekehrte Frau. Sie nimmt aktiv am Geschehen teil, bereitet den Kampf gegen die Savior vor und scheint im Gegensatz zu Daryl mit Glenns Tod abgeschlossen zu haben. Und wir erkennen ebenfalls, wie sehr die Situation, in der die Menschen in dem ehemaligen Freilichtmuseum leben, an einen Western erinnert. Sogar die Musik schafft einen Bezug dazu. Es gibt ein Fort mit hohen Palisadenzäunen, einfach betriebene Landwirtschaft und vor den Toren ein schier unendliches, feindliches Land. Und als sich die Tore öffnen und Sasha allein das Fort betritt, erkennen wir auch, dass diese Sequenz kurz vor ihrer Unterhaltung mit Sasha, in der die beiden das Attentat auf Negan beschließen, spielt.

Und sie versuchen es sogar. In der selben Folge, nicht etwa vier Folgen später, wie man bei dem Walkertempo, mit dem die Staffel bisher vor sich hin geschlurft ist, befürchten musste. Dabei arbeiten Sasha und Rosalita dann auch noch gleich ihre Konflikte auf und trauern um Abraham. Der Zeitpunkt dafür ist ein wenig unglücklich gewählt. Die beiden warten mit einem Scharfschützengewehr bewaffnet auf Negan, aber anstatt den Hof, auf dem er erwartet wird, zu beobachten, sitzen sie auf dem Boden und klären ihre Differenzen. In der Zeit, die sie dafür brauchen, hätte Negan seiner geliebten Lucille Hamlets kompletten Monolog vortragen und noch ein paar Leuten den Schädel einschlagen können, aber Drehbuch sei Dank, taucht er erst auf, als die beiden fertig sind.

Schießen können sie allerdings nicht auf ihn, da immer jemand im Weg steht. Also kehren sie zu Rosalitas ursprünglichem, an Selbstmord grenzenden Plan zurück und beschließen, ins Lager der Savior einzudringen.

Auftritt Mini-Negan

Eine Weile zuvor taucht Simon (der von Stephen Ogg großartig gespielt wird) mit einem Dutzend Savior auf dem Hügel auf, um den einzigen Arzt dort abzuholen. Selbst Gregorys Schleimerei kann ihn nicht davon abhalten, aber er begeht einen möglicherweise fatalen Fehler, indem er Gregory die Adresse der Savior gibt. Wenn er das denn wirklich getan hat. Der Grund dafür - Gregory befürchtet, dass es zu einem Putsch gegen ihn kommen könnte - erscheint ein wenig aufgesetzt. Und es wäre ihm durchaus zuzutrauen, dass er Gregory in Wirklichkeit eine Falle stellt.

Das Auftauchen der Savior dient aber noch einem anderen Zweck, denn Daryl und Maggie müssen sich vor ihnen verstecken und bekommen so nach dreizehn Folgen endlich Gelegenheit zu einer längst überfälligen Aussprache. Im Gegensatz zu der etwas hölzernen Unterhaltung zwischen Rosalita und Sasha ist diese Szene bewegend und zeigt, wie sehr Glenns Tod immer noch nachhallt. Während Maggie mit ruhiger Entschlossenheit auf einen Sieg über die Savior hin arbeitet, leidet Daryl unter Schuldgefühlen und ist erfüllt von einer wesentlich animalischeren Wut. In solchen Szenen, wenn grauenhafte Ereignisse Charaktere verändern und nicht nur benutzt werden, um Figuren in die vom Drehbuch gewünschte Richtung zu treiben, zeigt die Serie, wie gut sie sein kann. Maggie und Daryl wirken bei dieser Aussprache wie echte Menschen, nicht wie Schachfiguren, die vorbestimmte Züge einhalten müssen.

Das Gleiche kann man leider von Eugene nicht behaupten. Er wird vom Drehbuch mal in die eine, mal in die andere Richtung getrieben. In 7.11 schien er zwischen panischer Angst, berechnendem Verhalten und der Sehnsucht nach Anerkennung zu schwanken, was sehr gut funktionierte. Doch sein Monolog über Funk und seine Weigerung, sich von Sasha und Rosalita befreien zu lassen, weisen darauf hin, dass er der Macht innerhalb kurzer Zeit komplett verfallen ist. Oder spielt er auch das nur? Man weiß es nicht, aber das liegt nicht daran, dass Eugene so komplex ist, sondern dass er sich immer so verhalten muss, wie es die Handlung gerade verlangt. Das ist sehr schade, weil Charakter wie Schauspieler Besseres verdient hätten.

Am Ende rettet Sasha Rosalita vor sich selbst, was man zumindest akzeptieren kann, doch die Frage, die einen bewegt, ist eine andere: Wer ist die rätselhafte Gestalt, die mit auf dem Rücken geschnallter Armbrust aus der Dunkelheit auftaucht? Daryl oder vielleicht doch Dwight? Letzteres wäre wesentlich interessanter.

Fazit

The Walking Dead bereitet sich weiter auf den großen und wahrscheinlich blutigen Showdown vor. Mit dieser zwar langsamen, aber dank einiger gut gespielten und wichtigen Charakterszenen nicht langweiligen Folge kommt sie ihm wieder einen Schritt näher.

Originaltitel: The Walking Dead (seit 2010)
Erstaustrahlung am
31.10.2010 bei AMC / 11. Mai 2012 bei RTL1
Darsteller:
Andrew Lincoln (Rick Grimes), Norman Reedus (Daryl), Lauren Cohan (Maggie), Chandler Riggs (Carl), Melissa McBride (Carol), Steven Yeun (Glenn), Laurie Holden (Andrea), Danai Gurira (Michonne), Sonequa Martin-Green (Sasha), Jon Bernthal (Shane), Sarah Wayne Callies (Lori), Jeffrey DeMunn (Dale), Michael Rooker (Merle), David Morrissey (Govenor), Scott Wilson (Hershel), Michael Cudlitz (Abraham), Emily Kinney (Beth), Chad L. Coleman (Tyrese), Lennie James (Morgan), Jeffrey Dean Morgan (Negan), Alanna Masterson (Tara), Josh McDermitt (Eugene), Christian Serratos (Rosita)
Produzenten: Gale Anne Hurd, David Alpert, Robert Kirkman, Charles H. Eglee, Glen Mazzara, Scott M. Gimple, Greg Nicotero, Tom Luse, Frank Darabont
Basiert auf der gleichnamigen Comicreihe von Robert Kirkman
Entwickelt von Frank Darabont
Staffeln: 9+
Anzahl der Episoden: 115+

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