Sherlock Staffel 4: Kritik zu "Der lügende Detektiv"

SPOILER

Am Pfingstmontag setzt die ARD die Ausstrahlung der vierten Staffel von Sherlock fort. In "Der lügende Detektiv" setzt sich Sherlock Holmes auf die Fährte eines vermeintlichen Serienmörders. Allerdings muss er dabei zunächst ohne die Hilfe von Watson auskommen, der seinem Freund immer noch die Schuld am Tod von Mary gibt. Gleichzeitig ist Sherlock auch noch rückfällig geworden und so scheint es, als könnten weder er selbst noch seine Freunde dem sonst so messerscharfen Verstand des Detektivs zu 100 Prozent vertrauen.

Wie schon zum Staffelauftakt werfen wir gleich einen dreifachen Blick auf "Der lügende Detektiv".

Nele

Düster, wirr, amüsant – das passt durchaus zusammen und fasst für mich die Folge zusammen. Gewürzt mit einer größeren Prise Fanservice.

Marys Ableben hat erwartungsgemäß schwerwiegende Folgen. Die enge Verbundenheit zwischen Sherlock und John gehört der Vergangenheit an, und beide straucheln im Umgang mit dem Verlust. John wird wieder zum einsamen Wolf, der zwischen tiefer Niedergeschlagenheit und Wutausbrüchen schwankt. Sherlock knickt ein und gibt sich wieder voll diversen Drogen und Rauschzuständen hin. Entsprechend ist er beim Lösen des gegebenen Falles auch nicht so ganz auf der Höhe. Im Vergleich zur Auftaktfolge wird hier den Charakteren an sich zum Glück wieder deutlich mehr Raum gelassen.

Ein großer Gewinn sind die Neuzugänge im Cast. Sowohl Sian Brooke als Verwandlungskünstlerin als auch Toby Jones als skrupelloser Serienmörder Culverton Smith überzeugen mit brillanten Schauspiel.

Ja, auch diese Folge hat wieder reichlich abstruse Wendungen und Hinerklärungen – doch sie ist im Gesamten stimmig und weiß zu fesseln.

So wirken einige amüsante Szenen, etwa Mrs. Hudsons rasantes Auftauchen im Sportwagen und radikales Eingreifen, nur auf den ersten Blick unpassend in diesem eher düsteren Plot. Unterstützt durch rasche Schnitte und Sprünge, fühlt man sich schon fast mit Sherlock zusammen auf Drogentrip.

Der bereits erwähnte Fanservice tut ein übriges: Endlich finden Sherlock und John wieder zusammen – mit einer herzerwärmenden Umarmung. Irene Adler steht immer noch mit Sherlock in Kontakt. Mycroft und Lady Smallwood flirten miteinander und es gibt ein weiteres Holmes-Geschwisterkind. Dick aufgetragen und doch schön. Auch wenn es sich nicht um Tom Hiddleston handelt ;)

Katrin

Folgen von Sherlock erscheinen selten logisch und spielen bewusst damit, dass vieles erst später einen Sinn ergibt. Die ganz abgedrehten Folgen gehörten in der Regel zu den stärksten der Serie.

Allerdings trifft dies leider nicht auf "Der lügende Detektiv" zu. Für Folge 2 haben Moffat und Gatiss bekannte Elemente in dem Mixer geworfen, anscheinend in der Hoffnung, dass ein lauwarmer Aufguss davon gepaart mit Fan-Service ausreicht. Nein.

Sherlocks Drogenabhängigkeit wurde mehr als einmal thematisiert, von daher waren die Bilder in dieser Folge nicht innovativ. Benedict Cumberbatch schüttelt den Detektiv, der gerade in Sphären schwebt, wo ihm niemand folgen kann, dann auch höchst routiniert aus dem Ärmel.

Watson Unfähigkeit, über den Verlust einer geliebten Person hinwegzukommen, kennen wir ebenfalls bereits. Zugegeben, in der letzten Folge hat es seine Ehefrau und Mutter seiner Tochter erwischt. Aber dennoch hätte ein verzweifelter Watson eine schmerzvollere Wirkung erziehlt, wenn nicht ständig die Halluzinationen (wenn man sie denn nun so nennen mag) von Mary aufgetaucht wären. Natürlich ist es ein bekannter Mechanismus, dass einen ein Verstorbener gedanklich begleitet. Aber hier hatte es nichts Tröstliches an sich. Stattdessen ist Mary eine nervige Besserwisserin; vermutlich sollte es so angelegt sein, dass sie die objektive Sicht auf die Dinge darstellt. Jedoch schafft es Amanda Abbington irgendwie, dass Mary ihre unsympathischten Momente in der gesamten Serie abliefert.

Am ärgerlichsten ist jedoch die Figur des Culverton Smith. Als schlimmster Bösewicht wurde er vor Staffelstart angepriesen, und man fragte sich, wie ein Irrer wie Moriarty zu toppen sein könnte. Die Antwort war einfach: Gar nicht. Smith wirkt selten bedrohlich, vielmehr erscheint er plump. Bekanntlich müssen kranke Hirne nicht per se erkennbar sein, dass hat die Figur eines Hannibal Lectors von Thomas Harris bewiesen. Deswegen ist es unverständlich, dass ein Autorenteam wie Moffat und Gatiss hier nicht in der Lage waren, etwas ähnliches auszuarbeiten. Der Nervenkitzel beim vermeintlichen "der Schlimmste jemals!" hält sich jedenfalls in Grenzen.

Wenig überraschend ist auch das Ende der Folge. Wer nicht ganz auf der Wurstbrühe daher geschwommen ist, hat die Anspielungen schnell zusammengesetzt. Und fragt sich, ob die finale Folge den durchwachsenen Verlauf von Staffel 4 noch retten können wird.

Hannes

"Der lügende Detektiv" ist im Vergleich zu "Die sechs Thatchers" eine deutliche Steigerung. Auch wenn die Folge nicht vollkommen frei von Schwächen ist, fällt der Unterhaltungswert deutlich größer aus. Dies beginnt zunächst einmal damit, dass man wieder stärker auf einen Fall konzentriert und dieser auch klarer umrissen ist. Gerade der Staffelauftakt litt teilweise deutlich unter dem fehlenden Fokus.

Darüber hinaus ist auch die Inszenierung der Folge überdurchschnittlich gut. Besonders der Spaziergang von Sherlock und seiner vermeintlichen Klientin geriet sehr unterhaltsam und bringt ein paar optisch interessante Spielereien.

Rein inhaltlich ist "Der lügende Detektiv" zwar erneut nicht fehlerfrei, allerdings fallen die Probleme weniger stark auf. Gerade der handlungsübergreifende Fall und die Auflösung am Ende sind zwar eine spannende Entwicklung, allerdings darf man das gesamte Konstrukt nicht zu genau anschauen, dann fällt es schnell auseinander.

Sian Brooke trifft dabei keine Schuld. Mit dem Casting von Sherlocks Schwester bleiben sich die Macher der Serie treu und verpflichten eine weitere tolle Darstellerin, die gleich vier verschiedene Rollen spielt und überzeugen kann.

Erwähnenswert ist auch Toby Jones als Culverton Smith. Jones macht seine Arbeit als sehr bedrohlich wirkender Serienmörder über weite Strecken ganz gut. Was nicht ganz so funktioniert, ist die Tatsache, dass sein Charakter in der Öffentlichkeit als freundlicher und hilfsbereiter Mensch dargestellt wird. Irgendwie umweht Culverton Smith aber immer eine Serienmörder-Aura.

Zum Ende der Folge gibt es zudem einiges an Fanservice. Teilweise kann hier schon das Gefühl aufkommen, als hätte Autor Steven Moffat in die fünf Minuten eine Menge von dem gepackt, was sich viele Fans wünschen. Die Szene funktioniert allerdings richtig gut und sorgt noch einmal für einige Emotionen in der Folge.

Originaltitel: Sherlock (seit 2010)
Erstaustrahlung am 25.07.2010
Basiert auf den Sherlock-Holmes-Detektivgeschichten von Sir Arthur Conan Doyle
Darsteller: Benedict Cumberbatch (Sherlock Holmes), Martin Freeman (Doctor John Watson), Una Stubbs (Mrs. Hudson), Rupert Graves (Greg Lestrade), Louise Brealey (Molly Hooper), Mark Gatiss (Mycroft Holmes)
Produzenten: Mark Gatiss, Steven Moffat, Beryl Vertue
Staffeln: 4+
Anzahl der Episoden: 13+


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