Anime-Kritik: Guilty Crown

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Guilty Crown

Weihnachten als Anfang vom Ende der Welt? Ein tödlicher Virus, der 2029 in Tokio ausbricht, stößt eine Entwicklung an, deren Folgen im Laufe der Serie Guilty Crown unvorstellbare Ausmaße annehmen.

Es geht zwar auch immer wieder um die große Politik, aber im Zentrum der Handlung steht eindeutig Shu Ouma. Zunächst sieht es danach aus, als würde der Oberschüler ein - unter diesen Umständen - verhältnismäßig normales Leben führen. Dies ändert sich allerdings schlagartig, als Inori Yuzuriha, die Frontsängerin der Band Egoist, zehn Jahre nach dem sogenannten “Lost Christmas” in sein Leben tritt. Diese ist nämlich auch Teil der Untergrundbewegung Undertaker …

Das etwas andere Endzeitszenario

Nein, das Ende der Welt ist noch nicht gekommen, der Begriff Apokalypse fällt jedoch mit zunehmender Episodenzahl immer häufiger, und das nicht grundlos. Dass die nach all den Jahren immer noch nicht endgültig gebannte Gefahr sogar Apocalypse-Virus heißt, lässt den Untergang des Planeten (oder zumindest den Japans) von Beginn an greifbar erscheinen.

In Tokio haben sich die Menschen in gewisser Weise damit arrangiert. Was bleibt ihnen auch anderes übrig? Überleben lautet die oberste Maxime. Wenn man bedenkt, dass sie zudem jederzeit ein Opfer eines “Krieges” werden können, dessen Ausgang nicht abzusehen ist, sollte auch der Letzte verstehen, weshalb.

Die Rebellentruppe Undertaker bekämpft seit geraumer Zeit mit allen Mitteln die machthabende Organisation GHQ. Viele der wichtigsten Figuren lassen sich einer dieser beiden Fraktionen zuordnen. Gelegentlich sind die Übergänge aber fließend, was definitiv ein ganz großes Plus des Anime ist.

Die Macht des Königs

Eines der ersten Bilder von Guilty Crown zeigt Shu Ouma, der sich ein Musikvideo von Egoist ansieht. Zu diesem Zeitpunkt deutet noch nichts darauf hin, dass dieser 17-Jährige einmal zum entscheidenden Faktor im Duell Gut gegen Böse, oder vielleicht besser im Duell A gegen B werden wird. Immer wieder stellt sich nämlich die Frage, ob der Zweck tatsächlich sämtliche der von den Widerstandskämpfern eingesetzten Mittel heiligt.

Shu gerät eher zufällig (oder etwa doch nicht?) in Kontakt mit dem sogenannten Void-Genome, das seine rechte Hand etwas modifiziert. Ab diesem Moment besitzt er die Macht des Königs, die es ihm ermöglicht, die Herzen anderer Menschen durch Berührung bei gleichzeitigem Augenkontakt zu extrahieren. Dadurch transformieren diese sich zu Voids. Dabei handelt es sich primär um Angriffs- oder Verteidigungswaffen, deren Beschaffenheit von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist, weil sie stets vom Wesen des jeweiligen Spenders abhängt. Der Betroffene verliert - gerade bei den ersten Malen - meist direkt das Bewusstsein, ihm geschieht jedoch nichts, da sein Herz quasi extern “weiterarbeitet”.

Der Schüler schließt sich nach reiflicher Überlegung den Undertakern an und nutzt seine besondere Fähigkeit, um den Truppen der GHQ, den Anti-Bodies, mit ihren Endlaves (mit dem Piloten auf besondere Weise verbundene Kampfroboter) mehrfach schwere Niederlagen zuzufügen.

Als er allerdings herausfindet, dass der Träger des Voids stirbt, wenn es während eines solchen Einsatzes zerstört wird, ändert dies alles für ihn. Shu ist völlig unbegreiflich, wie Gai Tsutsugami, der Anführer der Rebellen, zu dem er nach anfänglicher Skepsis sogar aufgesehen hatte, all die durchgeführten Operationen mit diesem Wissen billigen konnte, und fällt daraufhin in ein tiefes Loch.

Guilty Crown

Die vielen Fragezeichen…

Wer mit der Serie beginnt, wird schnell feststellen, dass er von niemandem an die Hand genommen, sondern stattdessen einfach ins Geschehen geworfen wird. Der Zuschauer ist von Anfang an gefordert. Immer wieder tauchen neue Akteure auf, die einem immer weitere Puzzleteile liefern. Das bedeutet, dass man ständig dazu gezwungen ist, die bereits erhaltenen neu anzuordnen.

Natürlich wird es mit zunehmender Dauer etwas einfacher, am Grundprinzip ändert sich jedoch bis zum Ende der letzten Folge nichts. Dieser Umstand darf hier aber keinesfalls als Kritikpunkt missinterpretiert werden. Er ist vielmehr ein weiteres großes Plus von Guilty Crown.

So wird zum Beispiel nach und nach herausgearbeitet, dass Shus Vergangenheit die meisten Antworten auf die bedeutendsten der im Raum stehenden Fragen enthält, was dem Protagonisten selbst lange überhaupt nicht bewusst ist. Dies passt zudem gut zu der Tatsache, dass man aufgrund des gekonnten Einstreuens von Informationen selbst über vermeintliche Nebenfiguren jederzeit Überraschendes erfahren kann.

Für die beiden wichtigsten Akteure neben dem Oberschüler, Gai und Inori, gilt dies selbstredend in besonderem Maße. Beide sind sehr ambivalente und nur schwer durchschaubare Charaktere. Besonders "Anime-Erstkontaktler" dürften einen derart wendungsreichen und unkonventionellen Verlauf der Handlung, für den die beiden Mitglieder der Undertaker entscheidend verantwortlich sind, wohl eher nicht erwartet haben.

Und langjährige Fans gezeichneter Abenteuer aus Japan sollten bei dieser Serie zumindest nicht das Gefühl bekommen, das Dargebotene schon mehrfach in leicht abgewandelter Form gesehen zu haben. Ein zukünftiges Tokio als Schauplatz, den Untergang der Welt vor Augen, Kampfroboter und ein Oberschüler als Held; all das ist für den Kenner zugegebenermaßen nichts Neues, aber das Ganze ist bekanntermaßen mehr als die Summe seiner Teile.

Dass es sich bei Aspekten wie der Apokalypse oder dem König, von denen sehr früh die Rede ist, gewissermaßen um Vorboten für zahlreiche weitere religiöse Motive handelt, hätte man nach Sichtung der ersten Episoden beispielsweise wohl eher nicht vermutet. Ebendiese sind es allerdings, die in Verbindung mit Shus Familiengeschichte, vielen äußerst emotionalen und/oder mitreißenden Situationen sowie der bereits erwähnten politischen Dimension von Guilty Crown dafür sorgen, dass der Rezipient jederzeit den Eindruck hat, etwas sehr Innovatives geboten zu bekommen.

Guilty Crown

… und ein Aber

Bei all den positiven Dingen, die diese originelle Dystopie ausmachen, ist es regelrecht schade, dass die Macher sich dennoch - völlig unnötigerweise - in bestimmter Hinsicht sehr leicht angreifbar gemacht haben.

Einerseits wartet der Anime nämlich mit vielen starken weibliche Figuren auf, die durch die Bank sehr interessant, weil sehr unterschiedlich sind. Andererseits jedoch kommt es immer wieder zu Momenten, in denen ohne irgendeine inhaltliche Notwendigkeit zum Beispiel deutlich zu sehr betont wird, dass deren Kampfanzüge äußerst eng am Körper anliegen.

Mit den explizit auf Freizügigkeit (Ecchi) und mehr (Hentai) ausgelegten Genrevertretern ist das, was man hier zu sehen respektive meist lediglich angedeutet bekommt, selbstverständlich überhaupt nicht vergleichbar. Und wäre Game of Thrones eine Person, würde sie über besagte Szenen nur müde lächeln; überflüssig ist diese Art “Fanservice” aber trotzdem.

Denn sie führt a) zu diversen Tonalitätsbrüchen, die das Publikum viel zu häufig aus dem primär ernsten Geschehen reißen, und lässt b) entschieden zu oft den Umstand in den Hintergrund rücken, dass die hier auftauchenden Frauen so viel mehr als nur schön anzusehen sind.

Guilty Crown

Fazit

Wer auf der Suche nach einer ungewöhnlichen Serie und der Genrefarbe Anime gegenüber aufgeschlossen ist, sollte Guilty Crown auf jeden Fall einmal eine Chance geben.

Spannende Entwicklungen, interessante Protagonisten, beeindruckende Bilder und ein absolut grandioser Soundtrack, dafür steht dieses Sci-Fi-Abenteuer aus dem Hause Production I.G (Ghost in the Shell, The Vision of Escaflowne oder Psycho-Pass).

zusätzlicher Bildnachweis: 
© peppermint anime/Production I.G

Guilty Crown - Trailer #1 (OmU)

Appleseed 2005 Filmposter
Originaltitel:
アップルシード Appurushîdo
Kinostart:
08.09.05
Laufzeit:
102 min
Regie:
Shinji Aramaki
Drehbuch:
Haruka Handa
Die Welt nach dem dritten Weltkrieg. Während noch die letzten Einheiten in einen erbitterten Grabenkrieg verwickelt sind, hat sich der Rest der Menschheit in Olympus City eine Art Utopia erschaffen. Zusammen mit den sogenannten Biodroiden soll eine neue Gesellschaft entstehen.

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