Sülters IDIC: Zwei Dinge, die Star Trek: Discovery haben muss - Teil 2

Nur noch eine Woche bis zum Start der neuen Serie - und plötzlich ist unserem Kolumnisten völlig klar, was die Produzenten ihrer Kreation dringend noch mit auf den Weg geben müssen. Nachdem es in der ersten Kolumne um den Faktor Humor ging, schauen wir uns heute die zweite wichtige Zutat an. 

Where my heart will take me

Ich befürchte, dass einige meiner Leser bei der bloßen Erwähnung des Titelsongs von Star Trek: Enterprise grün angelaufen sind und akute Schnappatmung entwickelt haben. Bevor ich auf das wahre Thema dieser Kolumne eingehe, sollte ich sie vielleicht kurz damit einleiten, wie sich meine Einstellung bezüglich des Intros der Prequel-Serie von 2001 darstellt.

Fangen wir mit etwas Konsensfähigem an: Die gewählten Bilder sind einfach grandios. Sie zeichnen den Entdeckergeist der Menschheit nach und sind zudem stilistisch treffend umgesetzt. Angesichts einer Serie, die das erste Raumschiff präsentiert, welches die Menschheit in die Tiefen des Raumes vordringen lässt, eine tolle Wahl und bis heute - rein visuell - der für mich beste Trek-Vorspann.

Kommen wir nun zum problematischen Teil der Rechnung: Als der Titelsong "Where my heart will take me", gesungen von Russel Watson und geschrieben von Diane Warren, erstmals zu hören war, explodierten weltweit die Fernsehgeräte. So konnte man zumindest vermuten, angesichts des Aufschreis, den das Internet in der Folgezeit und bis heute erlebte.

Der erste Kritikpunkt der Fans war, dass überhaupt ein gesungenes Titellied ("wie bei einer Tennie-Soap") gewählt wurde, statt auf ein klassisches Orchesterstück zu setzen, wie die bisherigen Serien. Nun kann man derartiges Denken als ewig gestrig bezeichnen, der Wunsch, lieber den Stil der anderen Serien weitergeführt sehen zu wollen, ist aber valide.

Der zweite Kritikpunkt war, dass der Song auf dem Lied "Faith of the Heart" basierte, den Warren bereits 1998 für Rod Stewart und zur Verwendung im Film Patch Adams geschrieben hatte. Es handelte sich also nicht um etwas Einzigartiges, was man extra für Star Trek: Enterprise geschaffen hatte, sondern um einen aufgewärmten Popsong aus einem mäßig begeisternden Kinofilm, den man einfach neu einsingen ließ. Eine wirkliche Kreativleistung sieht zugegebenermaßen anders aus.

Was bei der ganzen Kritik jedoch immer wieder unter den Tisch fällt: Der Song passt toll auf die Bilder und bietet einen Text, der den von Star Trek immer gezeigten Kern für eine positive Weltanschauung und das Entdeckertum äußerst kompetent trifft. Zudem spiegelt er ideal die Geschichte von Jonathan Archer und seines Vaters, die ihre lange gehegten Träume in der Serie verwirklicht sehen.

Ich gebe zu: Das war ein wirklich langer Exkurs. Ich komme mal lieber zum Thema zurück.

Faith of the heart

Star Trek hatte uns in den Sechzigern eine sympathische Crew präsentiert, die sich Woche für Woche in neue Abenteuer stürzte und dabei stets mit positiver Energie voran stürmte, wo Engel furchtsam weichen eben ganz wie ihr Captain, der legendäre James T. Kirk. Immer wieder streute man relevante Themen in die Stories ein, verklausulierte sie und hielt somit der Menschheit einen Spiegel vor.

Perfektioniert wurde dieses Gehabe dann allerdings ehrlicherweise erst in den Achtzigern, als ein gewisser Captain Picard zum Vorzeige-Diplomaten wurde und Abenteuer für Abenteuer den friedlichen Konsens suchte. Er fand ihn nicht immer - doch war sein Ansinnen immer ehrenhaft und konsequent pazifistisch. Er wollte Neues entdecken und dabei Prinzipien bewahren.

Etwas Ähnliches wollten auch die Captains Sisko und Janeway nahe eines neuen Wurmlochs und im fernen Delta-Quadranten, doch war der eine von einem langen und zermürbenden Krieg gezeichnet und sah sich oft Extremsituationen und schwerwiegenden Entscheidungen gegenüber, die andere musste abseits der Föderation agieren, zu viele Kompromisse eingehen und hielt es - dank der Autoren - oft auch gar nicht so sehr mit ihren Prinzipien.

Captain Archer schließlich war dann der Versuch des ultimativen Gutmenschen, ein Captain America wie aus dem Bilderbuch. Dass er dabei als jemand fehlgezeichnet wurde, der die menschlichen Werte allen Völkern überstülpen wollte und die Autoren ihn oft auch ungünstig schrieben, muss man hier ausblenden. Der Charakter war vom Ansatz her ein klassischer Entdecker, ein Mann, der immer das Richtige tun wollte, und somit ein Trek-Prototyp.

Star Trek stand immer für diesen positiven Drang, unser Wissen zu mehren, Neues zu finden und zu studieren, die Menschheit zu verbessern und friedlich zu koexistieren. Aus diesem Ansatz entstanden in nunmehr 51 Jahren die besten, ergreifendsten und inspirierendsten Geschichten, die man sich immer wieder gerne anschaut.

Völkerverständigung, gesellschaftliche Probleme, Ausgrenzung, Miteinander, das Aufsprengen von Vorurteilen - alles Themen, die zu Klassikern geführt haben und die heute nichts von ihrer Relevanz verloren haben. Ob es gelingen wird, derartige Erzählungen in die horizontal vorgetragene Handlung rund um den Klingonenkonflikt zu integrieren? Oder wird dieser die Kreativität eher hemmen? Star Trek im TV braucht Raum für Ideale und das Stellen großer Fragen. Nur dann können Charaktere über sich hinauswachsen und Antworten finden, die uns mit etwas zurücklassen, was uns herausfordert.

Das Beispiel hat ein dickes Hinkebein

Und so geht es am Ende eben doch wieder um "Faith of the heart". Einziger Makel an dieser Geschichte ist, dass gerade Star Trek: Enterprise leider mit dem im Vorspann aufleuchtenden Entdeckergeist nicht wirklich Schritt halten konnte.

Viele Themen wurden vergessen, fallengelassen oder waren unterrepräsentiert: Wie bewertet die Menschheit die Vorgänge auf der Enterprise? Hier wären viel mehr Szenen und Einblicke möglich gewesen - besonders in den ersten beiden Jahren. Außer einer kleinen Fragestunden über Toilettengänge an Bord fiel den Autoren hier nicht viel ein.

Zu sehr verlegte man sich zudem auf stereotype Aliens, Baukasten-Storys und schließlich sogar auf eine sehr militärische Geschichte nach einem verheerenden Angriff auf die Erde. Der Entdeckergeist keimte dann erst im letzten Jahr wieder auf, doch auch hier entschied man sich, lieber primär im eigenen Franchise-Kanon zu wildern, anstatt sich wirklich konsequent mit dem Ur-Setting zu befassen.

Sülters letzte Worte

So muss man am Ende zwischen Ansatz und Ausführung differenzieren. Denn vollkommen abgesehen von der Qualität des ersten Trek-Prequels bleibt festzuhalten: Den Forschergeist, die Begeisterung von der Erkundung des Alls, den Wunsch, die Menschheit dort zu präsentieren und repräsentieren und den Anspruch, mit den Völkern des Universums friedlich koexistieren zu können, hatte man der Serie in die DNA geschrieben und dies auch zu verschiedenen Gelegenheiten zu zeigen versucht.

Auf diese Weise hatte man die Idee von Star Trek wunderbar gewürdigt und gezeigt, wie viel Wertschätzung man den positiven Visionen der Originalserie entgegen brachte. Star Trek: Discovery macht bisher noch nicht den Eindruck, diesem Pfad konsequent folgen zu wollen. Vom molllastigen Titellied über das Kriegsthema, das die erste Staffel dominieren soll, einen düsteren Harry Mudd, die Probleme von Michael Burnham bis hin zu 25 klingonischen Häusern, die ihre Identität suchen, wirkt hier alles arg deprimiert und grüblerisch. Das muss nicht schlecht sein, keine Frage. Nicht umsonst ist Star Trek: Deep Space Nine meine Lieblingsserie.

Mir fehlt jedoch in diesem Sumpf aus Ernsthaftigkeit noch ein wenig die Freude am Forschen. Ich würde mir wünschen, dass die neue Serie trotz Zeitgeist-Ausrichtung auch hier ein Plätzchen findet, um jene Geschichten zu erzählen, die die Trekkies weltweit seit über 50 Jahren so sehr lieben. Jeder Mensch braucht Ziele und Hoffnung - und was, wenn nicht Star Trek kann im TV-Bereich dafür Lieferant sein?

Björn Sülter ist als freier Redakteur unter anderem bei Onlinepublikationen wie Quotenmeter, Serienjunkies und auch Robots & Dragons aktiv. Im Printbereich schreibt er zum Beispiel für das Phantastik-Magazin Geek!. Der Autor und Musiker ist Fachmann in Sachen Star Trek. Seit 20 Jahren schreibt er über das langlebige Franchise.

Für Robots & Dragons wird er exklusiv die Entstehung der neuen Trek-Serie mit seiner Kolumne Sülters IDIC begleiten und sobald die Serie startet, auch für ausführliche Kritiken zu den Episoden und einen Podcast sorgen. Der Name der Kolumne steht stellvertretend für das, was uns Trekkies auszeichnet: Einen offenen Geist zu behalten und die Vielfalt als etwas Wertvolles zu schätzen. Infinite Diversity in Infinite Combinations. Dazu gibt er in Sülters Warpkerkette regelmäßig Anekdoten über Star Trek zum besten.

Björns Homepage und somit viele seiner Artikel und Trek-Rezensionen erreicht ihr unter www.sülterssendepause.de.

Star Trek: Discovery

Originaltitel: Star Trek: Discovery
Erstaustrahlung 24. September 2017 bei CBS All Access / 25. September 2017 bei Netflix
Darsteller: Sonequa Martin-Green (Michael Burnham), Jason Isaacs (Captain Gabriel Lorca), Michelle Yeoh (Captain Georgiou), Doug Jones (Lt. Saru), Anthony Rapp (Lt. Stamets), Shazad Latif (Lt. Tyler), Maulik Pancholy (Dr. Nambue), Chris Obi (T’Kuvma), Shazad Latif (Kol), Mary Chieffo (L’Rell), Rekha Sharma (Commander Landry), Rainn Wilson (Harry Mudd), James Frain (Sarek)
Produzenten: Gretchen Berg & Aaron Harberts, Alex Kurtzman, Eugene Roddenberry, Trevor Roth, Kirsten Beyer
Entwickelt von: Bryan Fuller & Alex Kurtzman
Staffeln: 4+
Anzahl der Episoden: 42+


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