Kritik zu Wolfenstein: Youngblood - Zusammen ist alles besser?

Paris ist allgemein bekannt als die Stadt der Liebe. Viele Paare zieht es in die malerischen Viertel voller Altbauten, Cafés und die Skyline prägt der Siegesturm. Eine gigantische Monstrosität aus Beton, die das Regime nach dem Sieg im Zweiten Weltkrieg anstelle des Eiffelturms gebaut hat, um seine Überlegenheit zu demonstrieren. So jedenfalls sieht es in der französischen Hauptstadt in der alternativen Realität der Wolfenstein-Videospielreihe aus. Das Regime sind in der deutschen Version die Nazis, angeführt von ihrem Kanzler Hailer, wie sollte es auch anders sein. Doch später mehr zur merkwürdigen Zensursituation, denn Wolfenstein: Youngblood lässt sich den romantischen Ruf der Stadt nicht zerstören und schickt die Spieler erstmals zu zweit auf ein Date. Auf der Karte ist aber nur ein Gericht und dies ist die gewaltsame Vertreibung der Nationalsozialisten aus dem besetzten Land.

Im neuesten Titel von Arkane Studios und Machine Games schlüpfen die Spieler in die Haut von Zofia und Jessica Blazkowicz. Auch Spieler des letzten Ablegers The New Colossus denken bei den Namen nun vermutlich angestrengt nach, denn: Die beiden sind die Zwillingstöchter des früheren Protagonisten B.J. Blazkowicz und seiner Frau Anya, die zuletzt noch hochschwanger war. Die Handlung beginnt 1980, etwa 19 Jahre nach der amerikanischen Revolution gegen die Nazi-Besatzer. Zu Beginn von Youngblood ist Amerika wieder ein freies Land mit einer funktionierenden Regierung samt FBI und CIA. Die Protagonistinnen Jess und Soph sind als Töchter von Widerstandskämpfern auf einer Farm in Texas aufgewachsen und zum Kämpfen erzogen worden. Denn obwohl die Staaten wieder vereinigt und frei sind, setzen die hochtechnologisierten Nazis ihre despotische Herrschaft im Ausland und sogar im Weltraum fort.

Die texanischen Terror Twins

Ihr tiefer Hass auf Nazis veranlasst die 18-jährigen Schwestern, sofort zu handeln, als ihre Freundin und FBI-Kontakt Abby ihnen mitteilt, dass ihr legendärer Vater verschwunden ist. Wie in einer der Detektivgeschichten, mit denen sie seit ihrer Kindheit besessen sind, forschen die drei Frauen nach und finden eine Verbindung mit dem schwer besetzten Paris. Sie zögern nicht lange, stehlen von ihren Eltern einen Helikopter und schließen sich der französischen Widerstandsbewegung an. Viel tiefgehender wird die Geschichte im Gegensatz zu den Vorgängern leider nicht. Zwischensequenzen und Gespräche sind rar, von ernsten Themen kann der Spieler vielleicht am Rande in Notizen lesen. In diesem Aspekt spiegelt sich das kleinere Budget des Titels dramatisch wieder. Auch die geradezu absurden Wendungen im Finale erinnern mehr an Iron Sky und lassen das geschickte Skript aus The New Order und The New Colossus vermissen.

Wolfenstein: Youngblood Zwillinge

Vergisst man die neueren Spiele einen Moment und erinnert sich an den pixeligen B.J. Blazkowicz von 1992, wird schnell klar, dass diese handlungstechnischen Abstriche einer kurzen Rückkehr zu den Wurzeln der Reihe geschuldet sind. Hier dreht sich wieder beinahe alles ausschließlich ums Schießen. Auf den Straßen von besetzten Pariser Viertel wie “Klein-Berlin” und dem “Siegesboulevard” muss der Spieler unzählige Nazis und ihre groteske Maschinerie mit ebenso martialischen Methoden ins Jenseits befördern. Das funktioniert auch sehr gut, wirkt aber dank oftmals fehlendem Kontext nicht mehr so intensiv wie früher. In den offenen Stadtgebieten, die der Spieler durch das wuchernde Katakombensystem erreicht, gibt es für jede Quest einen Punkt, der erreicht werden muss.

Das “F” steht für Freundschaft, das “R” steht für Revolution

Keine großartigen Dialoge, nur Leichen, die die Zwillinge auf dem Weg von A nach B hinterlassen. Das ist Wolfenstein: Youngblood: Geballer, beinahe ohne Schnörkel. Denn das Spiel wird nicht durch die obligatorische Gamifizierung von Waffen und Fähigkeiten abgerundet. Natürlich haben Gegner jetzt Level, und der Spieler muss mit nötiger Erfahrung auf die gleiche Zahl kommen, denn pro Stufe gibt es auch zwei Prozent mehr Schaden. Böse Zungen könnten behaupten, dass derartige Neuerungen nur integriert wurden, weil die coolen Kids auf dem Schulhof der Videospielindustrie auch welche haben.

Etwas anders hält es sich mit dem Kernelement des kooperativen Spielens. Youngblood wurde sehr offensichtlich auf zwei Spieler ausgelegt. Käufer der – mit 40€ relativ preiswerten – Deluxe-Edition erhalten sogar den sogenannten Buddy Pass. Dieser ermöglicht es, einen Freund in das eigene Spiel einzuladen, der somit ohne das Spiel selbst zu besitzen in die Rolle der digitalen Zwillingsschwester eintauchen kann. Dieser Hinweis soll nicht werben, denn jeder potentielle Käufer muss sich klar sein: Spielen im Coop-Modus ist kein Zusatz, sondern die einzig unterhaltende Art den Titel zu konsumieren.

Ohne einen Freund in Kontrolle von Schwesterherz Blazkowicz ist Youngblood schlicht nicht zu empfehlen. Teamwork ist entscheidend, ohne ist das Gameplay irritierend, frustrierend und etwas öde. Gegner sind schwerer, alleiniges anschleichen oder die spontane Rambo-Fantasie auszuleben führt rasant zum Misserfolg. Selbst kooperativ ist die Schwierigkeit durch einige Faktoren oft schlicht ärgerlich. Gegner erscheinen in regelmäßigen Zeitabständen wieder, Verstärkung kommt oft überraschend aus dem Nichts.

Wolfenstein: Youngblood Kampf

Auch das Levelsystem steht dem Spaß teilweise im Weg, wenn sich das eigene Team plötzlich im Gefecht mit Gegnern wiederfindet, die durch ein höheres Level kaum besiegbar erscheinen. Wer bereit ist, mit einem Freund ein Gefühl für das Spiel zu entwickeln, wird in den zwölf Stunden Spielzeit definitiv unterhalten, nur der Weg zu diesem Gefühl ist das eigentliche Hindernis.

Greift man also zur Deluxe-Edition, ist an dieser Stelle noch der versprochene Hinweis zur Zensur angebracht. Neuerdings sind Hakenkreuze hierzulande auch in Videospielen erlaubt, doch eine Version, in der Symbolik und Erwähnung der Nationalsozialisten ausgewechselt wurden, ist parallel ebenfalls im Handel. Somit sei Vorsicht beim Kauf angeraten, denn die Zensur ist nicht nur lächerlich (Stichwort: Hailer), sondern an manchen Stellen auch den nicht erwähnten Opfern des zweiten Weltkriegs gegenüber respektlos.

Fazit

So ein Coop-Modus ist eine simple Rechnung, denn zusammen ist alles besser. Quasi jede banale Tätigkeit kann so aufgewertet werden: Aufräumen, Einkaufen oder Rasenmähen. Wer ein Medium mit einem Freund konsumiert, kann auch trotz der Qualität des Gesehenen seinen Spaß haben. Diese Emotionen bleiben und werden im Kopf dann auch mit Trash zusammengebracht. Wolfenstein: Youngblood gibt dem Spieler auch die Möglichkeit, alleine die Reise nach Paris zu wagen. Dann wird der Kopf schnell wieder klar. Die Zusammenarbeit mit den Dishonored-Machern hat bei der Entwicklung nicht wirklich geklappt, die Tugenden der Wolfenstein-Reboots fehlen. Damit wird die Sache mit dem Servicetipp am Ende der Kritik doch etwas verzwickt, denn: Zusammen ist alles besser.

Wolfenstein: Youngblood ist für Playstation 4, Xbox One und den PC erhältlich.

zusätzlicher Bildnachweis: 
© Bethesda

Wolfenstein: Youngblood | Story Trailer | PS4 deutsch

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